Kein Sinn für städtebauliche Qualität in Verl?

CDU lehnt Bürgerversammlung ab

Das am Westfalenweg bzw. an der Österwieher Straße gelegene Nahversorgungszentrum soll umgebaut und vergrößert werden. In diesem Zusammenhang hat der Rat der Stadt Verl vor kurzem mehrheitlich beschlossen, dass die Fläche des ehemaligen Bauhofes in dieses Vorhaben mit eingebracht wird. Veräußert werden soll demnach ein kostbares Areal, das der Stadt gehört, mitten in Verl liegt und etwa 5.500 Quadratmeter misst, fast so groß wie ein Fußballfeld. Wieso, weshalb, warum? Einzig, um auf dem ehemaligen Bauhofgelände einen Getränkemarkt zu errichten!

Dieses Vorhaben – angeblich ohne Alternative – ruft anscheinend nicht nur Begeisterung, sondern auch gegenteilige Reaktionen in der Bevölkerung hervor. Denn an solch einer exquisiten Stelle in Stadtzentrumsnähe sind aus der Sicht von Stadtentwicklung und Städtebau durchaus vielfältigere Nutzungen statt eines Getränkemarktes denkbar – zum Beispiel flexibles und bezahlbares Wohnen, ebenso in Form von Praxen und Büros, basierend auf neuen Formen und Materialien des Bauens sowie unter Einbeziehung von Fassaden- und Dachbegrünung. Überall zu beobachtende Prozesse der Auszehrung und Verödung von Innenstädten legen es nahe, möglichst viele Voraussetzungen für die Entstehung eines multifunktionalen, lebendigen Quartiers zu schaffen. Ein übergreifendes Ziel ist in diesem Zusammenhang die Hervorbringung von Aufenthaltsqualität und sozialräumlicher Identität in einer Stadt.

Doch von all dem, was städtische Qualität ausmacht, liest man bezeichnenderweise an keiner Stelle auch nur ein Wort. Planerisch entscheidend sind lediglich diese zwei Bezugsgrößen: Verkaufsflächen und Parkplätze, weitläufig und flächenfressend. An solchen Orten fährt man in der Regel mit dem Auto vor, um sich schnell und bequem mit Lebensmitteln des täglichen Bedarfs einzudecken. Ist dieser triviale, wenig aufregende Zweck erfüllt, fährt man fluchtartig wieder nach Hause. Weit und breit finden sich weder Schaufenster, Sitzbänke, Brunnen, Spielgeräte noch Treffpunkte. Stattdessen ungepflegte Bäumchen und Sträucher, die inmitten von Asphalt und Schotterbeeten nur noch Kümmerformen hervorbringen, was jetzt schon besichtigt werden kann. Warum sollte man sich an einem solchen unwirtlichen Ort auch nur eine Minute länger als nötig aufhalten? Wird das Vorhaben auf dem ehemaligen Bauhofgelände wie geplant realisiert, so kommt dies nach Auffassung der Fraktion der Grünen einer städtebaulichen Bankrotterklärung gleich.

Was wäre die Alternative? Statt alle Gestaltungs- und Einflussmöglichkeiten bezüglich des ehemaligen Bauhofgeländes mit dem Verkauf aus der Hand zu geben, könnte die Stadt Verl an dieser Stelle mit gutem Beispiel vorangehen und wegweisende innovative Impulse setzen, zum Beispiel mit dem Ziel einer nachhaltigen und flächensparenden Stadtentwicklung. Wenn mit Grund und Boden sparsamer umgegangen würde, könnten Flächen für anderweitige Nutzungen geschaffen werden, z.B. für Büros, Arztpraxen oder soziale Einrichtungen und vor allem für dringend benötigten Wohnraum. Eine „Stadt der kurzen Wege“ gewährleistet eine gute Erreichbarkeit und sichert außerdem städtebauliche Qualität. Das heißt: Hier, mitten in der Stadt, gut 200 Meter vom Marktplatz entfernt, muss Einkaufen deutlich mit mehr Aufenthalts- und Erlebnisqualität verbunden sein. Erst eine bunte und zugleich kompakte Vielfalt von Angeboten und Nutzungen bringt städtisches Leben für Jung und Alt hervor.

Alles in allem geht es um städtebauliche Verantwortung. Eine solch schwerwiegende städtebauliche Entscheidung wie die Veräußerung eines verhältnismäßig großen städtischen Grundstücks für den monofunktionalen Zweck eines Getränkemarktes kann nicht allein Sache von Bürgermeister, Verwaltung und Rat sein; sie erfordert vielmehr die frühzeitige Beteiligung und Mitsprache von Verler Bürgerinnen und Bürgern. Daher hatte die Fraktion der Grünen einen Antrag auf die Durchführung einer Online-Bürgerversammlung zu diesem Thema gestellt. Dieser Antrag wurde jedoch von der CDU und den anderen Fraktionen abgelehnt.
Nun wissen also die Verler Bürginnen und Bürger, wer zu seinem Wort steht, bürgernah zu sein, und wer nicht.

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