Haushaltssatzung 2024: warum wir abgelehnt haben

In der Sitzung des Rates vom 6. Februar 2024 wurde final über die Haushaltssatzung der Stadt Verl für das Jahr 2024 abgestimmt, nachdem in den Ausschüssen intensiv dazu beraten wurde. Unsere Fraktion hat nach ausführlichen Abwägungen den Haushalt abgelehnt, ebenso wie die SPD und FWG-Fraktionen. Die Begründung führte Fraktionsvorsitzender Johannes Wilke in seiner Haushaltsrede aus, welche hier angesehen werden kann:

Hier die komplette Rede im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates, meine Damen und Herren!

Wir Grünen sind mehr als besorgt über das geplante negative Jahresergebnis 2024 von rund 12,3 Mio. Euro und auch über die darüber hinaus prognostizierten negativen zweistelligen Jahresergebnisse 2025, 2026 und 2027.

Erstmalig hat die Verwaltung im Haushaltsplanentwurf 2024 die Befürchtung geäußert, dass die Stadt Verl künftig in die Haushaltssicherung rutschen könnte, falls es keine deutliche Änderung der Ertrags- und Aufwandspolitik gibt.
Gleichzeitig schreibt die Verwaltung im Haushaltsplanentwurf 2024, auch erstmalig, dass dringend Konsolidierungsmaßnahmen erforderlich seien.

Wir hätten uns gewünscht, dass die Verwaltung eine noch aktivere Rolle bei der Erstellung des Haushaltes eingenommen hätte. Schließlich hat niemand anders als die Verwaltung eine bessere Übersicht zu möglichen Einsparungen oder sinnvollen Verschiebungen an Finanzmitteln.

Auf Nachfrage bei unserer Haushaltsklausur 2024 ist uns mitgeteilt worden, dass solche Vorschläge aus der Verwaltung nicht gemacht werden sollten. Das habe der Verwaltungsvorstand entschieden. Dies war für uns nicht nachvollziehbar, so dass wir die Verwaltung nachfolgend in einem Antrag zu entsprechenden Vorschlägen aufgefordert haben.

Schließlich geht es lediglich um Vorschläge, die nach unserer Auffassung die Verwaltung machen kann und soll – Entscheidungemuss letzten Endes und selbstverständlich die Politik treffen!

Die Antwort von Herrn Herbst auf unsere Aufforderung hin, Einsparungen zum Haushalt 2024 vorzuschlagen, reduzierte sich bereits in seiner E-Mail vom 22.12.2023 auf Folgendes:
„Wir haben als Verwaltung im Vorfeld zur Einbringung des Haushaltes bereits erhebliche Einsparungen und Veränderungen vorgenommen. Falls Interesse besteht, kann ich Ihnen gerne dazu berichten.“ An dieser Stelle machte es aber keinen Sinn, bereits im gedruckten Haushaltsplanentwurf enthaltene Anpassungen zu besprechen.

Interesse hätte unsere Fraktion an noch nicht enthaltenen Anpassungen und Vorschlägen zum vorliegenden Haushaltsplanentwurf 2024 gehabt. Denn der Haushalt 2024 bleibt weiterhin defizitär mit einem Minus von 12,3 Mio. Euro.

Dass es auch anders geht, zeigt sich z.B. in Paderborn. Dort arbeitet die Verwaltung konstruktiv zusammen mit der Politik daran, gemeinsam das dortige Haushaltsdefizit zu verringern.
Stattdessen redet sich die CDU in Verl die vorliegenden Zahlen schön. „Nach der Haushaltseinbringung hörte man nur optimistische Stimmen aus den Reihen der CDU – man sähe aufgrund der Ersparnisse in den nächsten 15 Jahren keine finanziellen Probleme in Verl.“ Hier scheint die CDU mehr zu wissen als die Verwaltung.

Dennoch will die CDU jetzt angeblich sparen mit ihren insgesamt 19 Anträgen. Wenn man sich die Anträge genauer ansieht, stellt man jedoch fest, dass die tatsächlichen Einsparungen in den Anträgen weniger als 1 Mio. Euro ausmachen. Alles andere in den CDU-Anträgen sind lediglich Verschiebungen auf das nächste HH-Jahr 2025. Anscheinend geht man bei diesen Verschiebungen davon aus, dass in 2024 nur eine Delle bei den Einnahmen erfolgt und es ab 2025 wieder wirtschaftlich aufwärts gehen wird.

Angesichts der aktuellen geopolitischen Verwerfungen sowie der anstehenden Wahl am Jahresende in den USA halten wir es allerdings für ratsam, vorübergehend den Gürtel enger zu schnallen und erst dann wieder mit mehr Steuereinnahmen zu planen, wenn diese tatsächlich fließen.

Wie können wir zu einer Konsolidierung des Haushalts in Verl kommen?
Wir Grüne schlagen vor, gemeinsam mit Politik und Verwaltung konstruktiv nach Spielräumen und Lösungen zu suchen wie in unserem Haushaltsantrag zur Konsolidierung vorgeschlagen. Ein „Weiter so wie bisher“ würde die aktuellen Warnzeichen der Verwaltung ignorieren.

Die Mehrheitsfraktion der CDU erleben wir in Verl derzeit sehr widersprüchlich, meine Damen und Herren. Ich werde das an zwei aktuellen Themen deutlich machen.

Erstes Thema:
In einem Antrag der CDU zum aktuellen Haushalt wird von der Verwaltung die Ausarbeitung eines gesamtstädtischen und gebündelten Förderprogramms im Rahmen des städtischen Klimaschutzkonzepts VIPER2029 gefordert.

Die CDU schlägt darin u.a. auch die Förderung von PV-Anlagen vor.

Unser gemeinsamer Antrag mit der SPD zum Haushalt 2022 zur Fortführung der Förderung von PV-Anlagen, wurde von der CDU seinerzeit allerdings abgelehnt.

Mit folgenden Begründungen:
Laut Michael Eskens Aussage im November 2021 sind PV-Anlagen so günstig, dass sich jeder eine PV-Anlage auf sein Dach installiert, der daran Interesse hat. Die Kosten würden niemanden mehr davon abhalten. Eine weitere Förderung in Verl würde nicht zur Installation weiterer PV-Anlagen führen. Man sollte das Geld besser an anderer Stelle investieren.
Im Widerspruch zu der Argumentation von Michael Esken lehnt die CDU keine zwei Jahre später den Vorschlag der Verwaltung ab, für das Neubaugebiet Leinenweg-Ost eine PV-Anlagenpflicht festzuschreiben.
Die Begründung der CDU: Das Bauen sei sehr teuer geworden. Eine PV-Pflicht würde unter Umständen dazu führen, dass sich einige (junge Familien) das Bauen nicht leisten könnten. Die CDU gab weiter an, dass sie damit den sozialen Gedanken berücksichtige.

1. Diese Argumentation steht klar im Widerspruch zu der Argumentation des ehemaligen CDU-Bürgermeisters Michael Esken eineinhalb Jahre zuvor, weil PV- Anlagen zu diesem Zeitpunkt etwa auf gleichem Preisniveau waren wie anderthalb Jahre zuvor. Seitdem sind PV-Anlagen sogar noch günstiger geworden.

2. Weiterhin argumentiert die CDU mit dem „sozialen Gedanken“ für Bauherren, die sich sonst das Bauen nicht leisten könnten.

Tatsächlich ignoriert die CDU dabei die Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen. Denn nicht nur laut Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 ist die Verringerung der CO2 Emissionen ein generationenübergreifendes Thema. Ein einseitiges Verschieben der Verringerung von CO2 Emissionen sei laut Bundesverfassungsgericht nicht zulässig.

Dies wird aber von der Verler CDU klar missachtet, wenn sie bewusst das Bauen ohne PV-Anlagen in Neubaugebieten zulässt. Statt Farbe für den Klimaschutz zu bekennen, setzt die CDU auf kurzfristige Wählerstimmen und verschiebt die Verringerung von CO2-Emmissionen zu Lasten der nächsten Generationen. Anscheinend fällt es der CDU schwer, unliebsame Entscheidungen für den Klimaschutz zu treffen.

3. Und zu guter Letzt hatte die CDU bei der Ablehnung unseres Antrags zur Verlängerung der Förderung von PV-Anlagen argumentiert, dass eine Förderung/Subventionierung immer nur eine Anschubfinanzierung sein soll. Sobald eine neue Technologie etabliert sei, bedürfe es keiner weiteren Subventionierung. (laut Herren Wittke und Dresselhaus)

Wir fragen uns, was bei der CDU nun zu der 180 Grad Kehrtwende geführt hat oder ist es nur ein Ignorieren der eigenen Argumentation?

Und wir fragen uns, ob die CDU sich wirklich ihrer Verantwortung bewusst ist, die sich aus ihrer absoluten Mehrheit ergibt.

Mit Scheinargumenten die Anträge von Oppositionsparteien abzulehnen und die Ideen der abgelehnten Anträge dann wenig später in eigene Anträge einzubauen und dabei die eigenen Gegenargumente völlig zu ignorieren, wirkt auf jeden Fall nicht wie seriöse, sachorientierte Politik, sondern sieht nach billigem „Machtgebaren“ aus.

Zweites Thema:
Beim zweiten aktuellen Beispiel für die Widersprüchlichkeit der CDU komme ich auf den Anfang meiner Rede, auf die Debatte zum Haushalt zurück:
In der Öffentlichkeit brüstet sich die CDU mit ihrer Vielzahl an Anträgen zum Haushalt.
Dabei können sich doch alle Ratsmitglieder noch gut daran erinnern, dass in der letzten Ratssitzung vor Weihnachten die CDU mit ihrer absoluten Stimmenmehrheit den Kauf einer Handvoll Grundstücke am Verler See durchgedrückt hat – zu einem Vielfachen des üblichen Marktpreises.
Es wäre doch eindeutig besser gewesen, wenn man bei diesen überteuerten Grundstückskäufen kostenbewusst vorgegangen wäre, zumal der defizitäre Haushaltsentwurf zu diesem Zeitpunkt bereits vorlag.

Im Rahmen der Haushaltsberatungen wurde dann noch unser Haushaltsantrag zur Konsolidierung von der CDU-Mehrheitsfraktion abgelehnt. Dadurch wurde Sparpotenzial verschenkt.

Dass die CDU sich nun in der Öffentlichkeit als besonders sparsam darstellt, ist nicht nur klar widersprüchlich zu ihrem Handeln, sondern aus unserer Sicht auch unseriös. Statt immer mehr Widersprüchlichkeiten wünschen wir uns zukünftig mehr klare Sachlichkeit und Toleranz gegensätzlicher Meinungen von der CDU- Mehrheitsfraktion.

Zum Klimaschutz:
Die Folgen des globalen Klimawandels sind längst auch in Verl angekommen: Überflutungen in Folge von Starkregen, hitzebedingte Belastungen oder die Dauer von Trockenperioden nehmen spürbar zu.
Der Klimaschutz gehört sowohl in Deutschland als auch vor Ort in Verl zu den zentralen Zukunftsthemen. Es wird immer deutlicher, dass die Zeit abläuft, in der Menschen den Klimawandel überhaupt noch wirksam bremsen können.
Daher ist das Thema Klimaschutz aus Sicht der Grünen heute wichtiger denn je. Wir sollten in Zukunft alle gemeinsam daran arbeiten die Klimaneutralität in Verl im Jahr 2029 tatsächlich zu erreichen.

Zur Dorfmühle:
Vor über einem Jahr sind die Pachtverträge mit dem Eigentümer geschlossen worden. Seither hat sich so gut wie nichts in Sachen Dorfmühle getan. Hier wird es nun allerhöchste Zeit zu handeln, um einen völligen, unwiderruflichen Verfall der Dorfmühle zu verhindern. Die hervorragenden Vorschläge von Lena Beckervordersandforth zur Zukunft der Dorfmühle sollten aus unserer Sicht jetzt schnellstens aufgegriffen werden.

Zur Bürmschen Wiese:
In scharfem Kontrast zur Mehrheit der Verler Bevölkerung redet sich die CDU die Wiese weiterhin schön und befürwortet Reparaturmaßnahmen, die kaum zu einer stadträumlichen Aufwertung führen werden. Die Expertin Frau Quirini-Jürgens zeigte sich im NAU zuletzt kompromissbereit, indem sie dort z.B. explizit einen „Bauerngarten“ erwähnte.
Wir sind davon überzeugt, dass bessere Lösungen als bisher zur Nutzung der Wiese gefunden werden können, die ökologisch fundiert, gleichzeitig aber ansprechender und einladender sind.

Zur Erinnerung an unsere Anträge:
An dieser Stelle möchte ich an folgende Anträge unserer Fraktion erinnern, die im Rahmen einer möglichen LGS verwirklicht werden sollten:
– Einrichtung eines Baumlehrpfads
– Rundwanderweg in Sürenheide
– Einrichtung eines Bürgerwaldes
Wir schlagen vor, dass ohne LGS jetzt zeitnah über das weitere Vorgehen hinsichtlich der genannten Anträge beraten wird.

Unsere Fraktion hat gerne dafür gestimmt, dass die Verler Bürgerinnen und Bürger über die Bewerbung zur LGS entscheiden konnten. Viele gute Ideen wurden in der Phase der Erstellung der Machbarkeitsstudie zur LGS entwickelt – einige davon sollten nun auch ohne die LGS zur Umsetzung kommen.

Wir freuen uns darauf, Verl auch weiterhin nachhaltig zukunftsorientiert mitzugestalten, auch wenn die Erstellung des Verler Haushalts mit einem Defizit von rund 12 Mio. Euro keine leichte Aufgabe ist.

Wir bedanken uns bei allen Mitarbeitern der Verwaltung für die gute Zusammenarbeit, auch wenn wir in der Sache nicht immer einer Meinung waren.

Die Fraktion der Grünen wird dem Haushalt 2024 nicht zustimmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Johannes Wilke, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/ Die Grünen